Zielgruppen neu denken – Verfassungsmarketing

Der Markt als psychisches Kräftefeld der Verfassungen

Die Erfahrung von Marketing-Experten zeigt, dass sich die Konsumenten in ihrem Verhalten verändert haben und immer schwerer zu packen sind. Die Definition von Zielgruppen durch soziodemographische Merkmale hilft für Marketingstrategien immer weniger weiter. rheingold arbeitet schon seit Jahren mit dem Modell des Verfassungsmarketings, um die multiplen und schizophrenen Verbraucher-Persönlichkeiten zu analysieren und daraus wirkungsvolle Marketingstrategien abzuleiten.

Verfassung je nach Kontext

Der Mensch verhält sich nicht in allen Situationen gleich – es macht einen Unterschied, ob wir am Schreibtisch sitzen, beim Bäcker in der Schlange oder vor dem Traualtar stehen. Diese Kontexte geben unsere psychologischen Verfassungen und Gestimmtheiten vor. Sie bestimmen unser Verhalten und Tun. Produkte und Medien sind in derartige Verfassungen eingebunden und helfen dabei, sie auszugestalten. Verfassungsmarketing setzt an der Stimmung, dem Zustand oder den Bedingungen an, in welche sich Konsumenten und Geschäftskunden begeben, die mit bestimmten Produkten oder Dienstleistungen in Kontakt kommen.

Es ist daher für Marketing und Kommunikation erheblich zielführender und einfacher, sich an derartigen Verfassungen zu orientieren, als nach sich mehr und mehr auflösenden Zielgruppen zu suchen. Es geht um Angebote für psychologische Verfassungen und die damit verbundenen Lebensgefühle und Bilder. Verfassungsmarketing ist heute daher ein Königsweg zum modernen Konsumenten!

Steuerung des Kunden durch Verfassungsmarketing

Der Markt wird dabei wie ein psychisches Kräftefeld betrachtet. Betritt ein Mensch (Kunde, Verbraucher) dieses Feld, so unterliegt er diesen Bedingungen und Kräften. Mit diesem Wissen kann das Unternehmen eingreifen, steuern, verändern – das ist Verfassungsmarketing. Das Verfassungskonzept eröffnet dem Marketing damit neue Ansatzpunkte für Vermarktung und Werbestrategien.

Das Denken in den heute noch üblichen Zielgruppen-Kategorien blockiert dagegen die Entwicklung von effizienten Marketing- und Kommunikationsstrategien. Zwar ist es noch selbstverständlich, dass jedes Produkt, jede Dienstleistung und jedes Medium eine oder mehrere Zielgruppen hat und haben muss. Die Fixierung auf Zielgruppen im Marketing ist jedoch Ausdruck eines vergangenen Zeitgeistes.

Sie stammt aus einer Zeit, in der Geschlecht, Alter, Familienstand und Einkommen gleichbedeutend waren mit spezifischen Kauf- und Konsumgewohnheiten. Männer eines bestimmten Alters kauften und konsumierten anders als Frauen, Ledige anders als Familien und Wohlhabende anders als Menschen mit geringem Einkommen.

Kunden agieren nicht in Zielgruppen-Kategorien

Doch diese Kategorien helfen heute nicht mehr weiter. Wohlhabende kaufen bei Aldi ein, ältere Menschen sind erpicht auf Trendprodukte und Frauen kaufen Männerprodukte.

Die Forschung hat durch die zusätzliche Einbeziehung von psychologischen Merkmalen in das soziodemographische Konzept auf diese Entwicklung reagiert und versucht auf diesem Wege, das tradierte Zielgruppen-Modell zu retten. Ermittelt werden auf diese Weise Zielgruppen-Profile mit mehr oder weniger starkem psychologischem Hintergrund wie etwa ‚Smart Shopper‘, ‚Milieus‘ oder auch ‚Stilgruppen‘.

Käufer sind multiple Persönlichkeiten

Aber auch diese Ansätze stoßen heute an ihre Grenzen, wenn sie Käufer- und Nichtkäuferkreise für ganz spezifische Produkte und Medien eingrenzen wollen: Die ermittelten Profile differenzieren häufig nicht gut oder sind zu allgemein.

Aktuelle rheingold-Studien zeigen, dass es immer weniger konstante Verhaltensmuster gibt, die Gruppen oder Personen komplett prägen! Konsumenten sind heute schizophrene, multiple Persönlichkeiten, die je nach Kontext unterschiedliche Verhaltensmuster entwickeln. Männer übernehmen dabei Frauenaufgaben und Frauen verhalten sich manchmal wie Männer, Familien werden gesucht und zugleich wieder in Frage gestellt und aufgelöst, alte Menschen wollen unbedingt jung sein und junge etabliert und berühmt wie früher nur ältere Herrschaften.

Totale Anpassung im Alltag

Das Modell des Verfassungsmarketings betrachtet das Konsumverhalten durch eine neue, andere „Brille“ als traditionelle Zielgruppenmodelle und kommt dabei zu einer Reihe spannender Erkenntnisse: Dass ein und derselbe Konsument zum Beispiel eine Vielfalt unterschiedlicher Schokoladenprodukte parallel verwendet, erscheint dann nicht mehr chaotisch oder unsinnig. Es zeigt sich meist, dass die verschiedenen Produkte unterschiedliche Verfassungen und die damit verbundenen Verwendungsmotive bedienen.

Schokolade konkurriert mit Salami

Psychologisch befriedigt die Milka-Tafel ganz andere Verfassungen als etwa die Tafel Ritter Sport, die wiederum in vielerlei Hinsicht mehr mit Schokoriegeln als mit klassischen Tafeln konkurriert. Beide Marken sind demnach in viel geringerem Umfang direkte Wettbewerber als es eine reine an Produktbereichen und deren Zielgruppen orientierte Marktbetrachtung annimmt.

Verfassungsmarketing öffnet als Konzept den Blick für die tatsächlichen Wettbewerber, die nicht selten außerhalb der vermeintlichen Zielgruppen eines spezifischen Produktbereichs liegen. Da konkurriert der Mars-Riegel dann plötzlich mit der Mini-Salami von Bifi oder dem Käsebrötchen vom Bäcker. Oder der Autokauf steht im Wettbewerb mit Urlaubsplanungen oder dem Hausumbau. Das Verfassungskonzept eröffnet dem Marketing damit neue Ansatzpunkte für Vermarktung und Werbestrategien.

Vorheriger BeitragNächster Beitrag