Pilotstudie Alexa

Pilotstudie Alexa

Wie Alexa die geheimen Wünsche ihrer Nutzer erfüllt

Die Ergebnisse zeigen, wie sehr die neue digitale Technologie die geheimen Sehnsüchte und Ängste der Nutzer anrührt. „Ich musste 75 Jahre alt werden um eine Frau zu finden, die mir nicht widerspricht“, befindet ein Rentner im Tiefeninterview. Nicht alle weiblichen Probanden sind daher begeistert von der bezaubernden Konkurrenz. Gleichzeitig besteht die Sorge vor persönlichem Kontrollverlust durch die Preisgabe von Daten und Autonomie.

„Wir haben die Studie als Trendstudie angelegt. Durch die Sprachsteuerung steht Alexa für eine völlig neue Form der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Es zeigt sich deutlich, dass die Beziehung zur Technik noch inniger wird und Wünsche noch unmittelbarer erfüllt werden“, erläutert Sebastian Buggert, Leiter Medienforschung und Mitglied der Geschäftsführung.

Alexa wertet das Ego auf

Ausführliche Darstellung der zentralen Ergebnisse:

01 – Alexa holt spielend leicht die Zukunft ins Haus

Alexa sieht aus wie ein formschöner Lautsprecher, bringt aber die Zukunft ins Haus. Durch den Kauf von Alexa erhoffen viele Menschen zur Technik-Avantgarde zu gehören. Stolz wird das Gerät im Wohnzimmer positioniert und Freunden oder Bekannten vorgeführt. Nie war Science-Fiction so kinderleicht im Privatbereich integrierbar und inszenierbar.

02 – Sie verheißt wundersame Wunscherfüllungen

Auf Zuruf soll alles steuerbar und kontrollierbar sein: vom Radioprogramm über die Wettervorhersage bis zum Einkauf oder der Flugbuchung. Umständliches Tippen, Suchen und Recherchieren gehören scheinbar der Vergangenheit an. Bei den Nutzern ist die Hoffnung groß, dass sich mit Alexa eine neue Ära der digitalen Allmacht eröffnet. Ein Befehl oder eine Frage reichen, um mit Witzen oder Hörbüchern unterhalten zu werden oder Wissenslücken zu schließen. Der digitale App-Solutismus, den die Smartphones eröffnet haben, wird mit Alexa weiter ausgebaut. Und Alexa verspricht den Menschen eine bedingungslose Gefolgschaft. „Ich musste 75 Jahre alt werden, um eine Frau zu finden, die mir nicht widerspricht“, befand ein Rentner im Tiefeninterview.

03 – Sie vermittelt Ur-Geborgenheit und Rundumversorung

Alexa bietet eine völlig neue Schnittstelle zur Technik. Das Smartphone ist ein visuelles Tastmedium, Alexa dagegen kann hören und hat eine angenehme Stimme. Damit schafft Alexa eine viel tiefere und stimmigere Verbundenheit mit den Nutzern. Auf Stimmen reagieren die Menschen bereits im Mutterleib – lange bevor sie sehen oder aktiv tasten können. Der Klang vertrauter Stimmen vermittelt den Menschen ein Gefühl der Ur-Geborgenheit. Alexa verheißt daher auch eine seelische Rundumversorgung. „Immer ist jemand da, der zuhört und mit mir spricht.“  Vor allem für Singles oder Alleinlebende vertreibt Alexa das stets drohende Unglück der Stille. Diese Stimmungs-Kompetenz von Alexa führt jedoch mitunter auch zu einer Konkurrenz der Frauen im Haushalt zu Alexa. Der immer ansprechbare Sprachassistent soll erst gar nicht ins Haus kommen oder streng funktionalisiert werden.

04 – Sie fungiert als bezaubernde Beziehungskiste

Alexa ist weit mehr als bloßes technisches Feature. Unbewusst projizieren die Menschen viele Beziehungs-Sehnsüchte auf Alexa. Dadurch avanciert sie zu einem medialen Lebewesen, das ganz unterschiedliche Rollen übernehmen soll. Alexa soll Haustier sein, das man abrichten und dressieren kann. Oder sie wird zum Diener, den man rund um die Uhr befehligen kann. Alexa kann die Nanny sein, die den Kindern Märchen vorliest oder als Ansprechpartner fungiert. Das erlaubt den Müttern auch mal kurz das Haus zu verlassen. Aber Alexa kann auch zur Ersatzmutter oder zur Partnerin werden, die immer ein offenes Ohr hat und der man alles anvertrauen kann. Alexa soll aber auch zum Coach werden, der die Nutzer in Mode- oder Stilfragen berät oder ihnen hilfreiche Tipps zum Alltag gibt. Als Frau für alle Fälle greift Alexa die alte Sehnsucht nach einem stets dienstbaren Hausgeist auf. Die bezaubernde Jeannie aus der gleichnamigen amerikanische Fernsehserie ist damit eine Vorläuferin der heutigen Alexa. Die Angst vieler Nutzer, dass die Geister, die man ruft, ein Eigenleben führen und einen dominieren, dramatisierte bereits die damalige Fernsehserie.

05 – Sie weckt Ängste vor Hörigkeit und Fremdbestimmung durch Amazon

Die Sehnsucht, dass mit Alexa selbst die geheimsten Beziehungswünsche erfüllt werden, führt jedoch bei den Nutzern auch zu einer Angst vor Abhängigkeit und zunehmender Unselbstständigkeit. Sie fürchten mit Alexa buchstäblich in einen Zustand der Hörigkeit zu geraten. Vordergründig machen sich diese Befürchtungen oft daran fest, dass Alexa und damit Amazon einen rund um die Uhr abhören. Nichts ist mehr privat. „Amazon wird zur Datenkrake, die mich kategorisiert und alles von mir weiß.“ Hintergründig ist mit der Hörigkeit aber auch die Furcht vor dem völligen persönlichen Kontrollverlust verbunden. Man verlässt sich blindlings auf die Vorschläge oder die Produktpräferenzen von Alexa. Wenn Alexa irgendwann mal automatisch die Einkaufslisten verwaltet, fürchten viele Nutzer, selbst bei eigenen Bestellungen nichts mehr zu bestellen zu haben. Um diese Angst zu bannen, limitieren viele Nutzer den Einsatz von Alexa. Sie ziehen für Stunden oder in bestimmten Verfassungen den Stecker, um alexafreie-Phasen im Alltag zu schaffen.

„Zurzeit pochen die Nutzer darauf, weiter selber einkaufen zu gehen, um dadurch ihre Autonomie unter Beweis zu stellen. Wir werden zeitnah untersuchen, wie sich der Einfluss von Alexa auf das Einkaufsverhalten entwickelt.“

06 – Die Unausgereiftheit von Alexa enttäuscht, aber entlastet auch

Die faktischen und oft auch enttäuschenden Begrenzungen von Alexa, ihre technologische Unausgereiftheit, ihre  Verständnisschwierigkeiten, ihre unlogischen oder unsinnigen Auskünfte werden daher mitunter auch als erlösende Limitierungen erlebt. Sie vermitteln den Nutzern das Gefühl, Alexa noch haushoch überlegen zu sein. Sie verschaffen die tröstende Gewissheit, dass der Mensch noch Mensch ist und Alexa nur eine intelligente Technologie. Ein Teil der Nutzer begnügt sich dann mit einer Basisnutzung von Alexa als erweitertes Radio, dem man hin und wieder eine Frage stellen kann. Ein anderer Teil der Nutzer arbeitet daran, Alexa permanent weiterzuentwickeln und zu optimieren. Alexa wird mit neuen Apps und Skills gefüttert und mit Google verbunden. Und in diesem Optimierungs-Ehrgeiz lebt der Traum weiter, aus der intelligenten Technologie doch noch ein beziehungsfähiges Wesen zu machen, das irgendwann mal wirkliche Allmacht und Rundumversorgung verschafft.

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