Der Stadtteil Altenessen übt mit seiner Lebendigkeit ein hohes Faszinationspotenzial aus, das jedoch von zahlreichen Schwierigkeiten herausgefordert wird. Insgesamt speist sich der Stolz der Altenessener*innen aus dem Leistungswillen zum sozialen Aufstieg, einer rauen Herzlichkeit und Anpacker-Mentalität – unabhängig von der Herkunft. Das Gefühl wachsender Unsicherheit und bröckelnder Infrastruktur bedrohen jedoch die multikulturelle Schicksalsgemeinschaft und damit auch den Traum vom eigenen Glück. Dies sind zentrale Ergebnisse einer tiefenpsychologischen Studie des Kölner rheingold Instituts, die gemeinsam mit der Altenessen-Konferenz (AEK) und der der Essen Marketing GmbH (EMG) Lösungsansätze für eine Verbesserung des Stadtteil-Images erarbeitet hat.
Hier können Sie ein Video der digitalen Studienpräsentation sehen
„Besonders auffällig war bei den Menschen in Altenessen ein hohes Engagement, verbunden mit dem Stolz, selbst etwas auf den Weg zu bringen. Das sind beste Voraussetzungen, um Identifikation und Gemeinschaftsgefühl entstehen zu lassen,“ sagt der Psychologe und Studienleiter Sebastian Buggert
Faszination Altenessen
Altenessen kann als Welt auf zwei Ebenen beschrieben werden. Auf der einen Seite übt der Stadtteil mit seinem Umfeld ein hohes Faszinationspotenzial aus. Dieses wird gespeist aus faktischen Vorteilen wie guter Lage, günstigem Wohnraum und guter Infrastruktur, einem entspannten Lebensgefühl in dem man so sein kann wie man ist und einer daraus folgenden Lebendigkeit. Hieraus speist sich die Hoffnung zum Guten.
Hohes Engagement
Die Studie zeigt eine große emotionale Bindung mit dem Thema Altenessen, geprägt von Stolz und positiven Erinnerungen. Auffällig war auch eine oft geäußerte Ruhrgebiets-Nostalgie, die aktuell von einem „Niedergang“ bedroht sei. Denn gleichzeitig wachsen Sorgen und Ängste, insbesondere durch Faktoren wie Verwahrlosung, Spaltung und Entfremdung. So wurde vielfach eine aggressive Stimmung beschrieben und die Beobachtung, dass gelebte Vielfalt in Spaltung gekippt sei.
Allerdings wurde ein teils sehr negatives Image bei Ortsbegehungen durch positive Überraschungen konterkariert.
Schattenseiten
Das insgesamt positive Gefühl wird herausgefordert durch faktische Nachteile wie eine bröckelnde Infrastruktur durch Renovierungsstau, fehlende Investitionen und dem dadurch entstehenden Eindruck von fehlender Sauberkeit. Auf der zwischenmenschlichen Ebene wird schwindendes Miteinander beklagt, zunehmend fehlender Respekt im Umgang und daraus folgende Entfremdung. Dieses Gefühl wird begleitet von zunehmender Unsicherheit durch eine als wachsend empfundene Kriminalität, Gewalt und Drogen.
Die große Sehnsucht nach einer Wende zum Guten
Der Stolz der Altenessener*innen speist sich aus dem Leistungswillen zum sozialen Aufstieg. Hier findet man optimale Startmöglichkeiten, man kann „befreit aufspielen“. Eine verschworene Schicksalsgemeinschaft, die durch eine raue Herzlichkeit und Anpacker-Mentalität verbunden ist und ihr eigenes Glück schmiedet – unabhängig jedweder Herkunft! Das Gefühl einer wachsenden Unsicherheit jedoch bedroht die Schicksalsgemeinschaft und damit den Traum vom eigenen Glück.
„Alle müssen sich anstrengen“
Die Bürgerinnen und Bürger in Altenessen wünschen sich den Erhalt ihres Traumes. Dafür sind Veränderungen in mehreren Handlungsfeldern erforderlich. Der öffentliche Raum braucht mehr Pflege. Hauseigentümer*innen sind aufgerufen ihre Gebäude und Grundstücke zu renovieren und sauber zu halten, die Stadt soll für einen attraktiven und lebenswerten öffentlichen Raum sorgen. Aus Stadt und Stadtgesellschaft fordert Altenessen als größter Stadtteil Anerkennung und Wertschätzung. Das „befreite Aufspielen“ muss geschützt werden. Die Einhaltung von Regeln durch die Ordnungsbehörden wird erwartet. Die Regeln für ein Miteinander müssen stärker kommuniziert und kontrolliert werden. Der Überfremdung muss durch ein neues „WIR“ begegnet werden, dass die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellt.
Hintergrund und weitere Vorgehensweise:
Seit 10 Jahren beschäftigt sich die Altenessen-Konferenz (AEK) mit dem Thema Image. Die Konferenz ist ein offenes Forum zum öffentlichen Meinungsaustausch für die Stadtteile Altenessen, Karnap und Vogelheim. Träger sind die beiden christlichen Kirchen, die IG Altenessen und der Essener Verbund der Immigrantenvereine. Gemeinsam mit der Essen Marketing GmbH (EMG) wurde das Kölner rheingold Institut mit der Erhebung einer Image-Analyse beauftragt, die auf der Altenessen-Konferenz im April 2024 vorgestellt wurde.
Zum Studiendesign:
In der qualitativen tiefenpsychologischen rheingold Studie wurden 36 Bürger*innen aus den Stadtteilen der AEK sowie aus Altendorf, Borbeck, Frintrop und Rüttenscheid zwei Stunden interviewt. Je ein Drittel der Befragten hatte die Deutsche, eine doppelte oder keine deutsche Staatsbürgerschaft, jeweils 18 Männer und Frauen, die hälftig in zwei Altersgruppen zwischen 18 und 40 sowie 41 und 65 Jahre aufgeteilt waren. Die Hälfte der Interviews wurden per Videokonferenz geführt, die andere Hälfte traf sich zum Stadtteil-Spaziergang mit einem der Interviewer*innen.
Sebastian Buggert ist Diplom-Psychologe und Mitglied der Geschäftsführung bei rheingold. Seine Forschungsschwerpunkte sind der Handel, die Medien sowie die Dienstleistungs- und Finanzwirtschaft. Er ist Experte im Bereich Digitalisierung und beschäftigt sich seit langer Zeit intensiv mit den Einflüssen bzw. Chancen des digitalen Wandels sowohl für die Märkte als auch für die qualitative Marktforschung.
Tel.: +49 221-912 777-34
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