Nachhaltigkeit zählt zu den zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Doch aus psychologischer Perspektive zeigt sich: Nachhaltiges Verhalten ist für viele Menschen mit inneren Widersprüchen verbunden. Unsere qualitativen Studien belegen: Der Wunsch nach Nachhaltigkeit geht oft mit einem konservativen Bedürfnis einher – dem Wunsch, eine vertraute, geborgene Welt zu bewahren. Paradoxerweise erfordert genau dieses Bewahren grundlegende Veränderungen: Verzicht, Umgestaltung, neue Routinen.
Von Empörung zur Überforderung
Dieses psychologische Spannungsfeld wird zunehmend zur Belastung. Was vor einigen Jahren noch von moralischer Empörung und gesellschaftlichem Aufbruch geprägt war, schlägt heute bei vielen Konsument:innen in Überforderung um. Nachhaltigkeit verliert an Strahlkraft – weil sie als zu anspruchsvoll, zu teuer, zu kompliziert empfunden wird.
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Zunehmend beobachten wir einen pragmatischen Umgang: Nachhaltigkeit wird eingeordnet, abgewogen, priorisiert – abhängig von Zeit, Geld und Alltagssituation. Die Frage lautet nicht mehr „nachhaltig oder nicht“, sondern: Was ist heute für mich machbar?
Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach Entlastung. Genussmomente, Eskapismus und Reiselust gewinnen an Bedeutung – auch auf Kosten nachhaltiger Prinzipien. Viele Menschen möchten nicht ständig mit ihren Verfehlungen konfrontiert werden. Sie wünschen sich Lösungen, die ihnen Verantwortung abnehmen, ohne belehrend zu wirken.
Unsere Forschung zeigt:
- 84 % der Befragten einer aktuellen Studie wünschen sich eine Senkung der Mehrwertsteuer für gesunde Lebensmittel.
- 71 % fordern verpflichtende gesunde Angebote in Schulen und Kantinen.
- 46 % sehen vor allem die Marken und Hersteller in der Verantwortung, nachhaltige und faire Lösungen anzubieten.
Für Unternehmen bedeutet das:
Marken, die Nachhaltigkeit unkompliziert, alltagsnah und anschlussfähig gestalten, werden als glaubwürdig und unterstützend wahrgenommen. Wer hingegen mit Appellen oder Dogmen agiert, riskiert Ablehnung.
Die Zukunft liegt in intelligenten Angeboten, die Nachhaltigkeit mit Lebensrealität, Genuss und Alltagspraktikabilität verbinden – statt sie in einen dauerhaften Zielkonflikt zu stellen.