Esskultur im Wandel – der neue Pragmatismus

Esskultur in Corona Zeiten

Die Corona-Zeit hat beim Essverhalten Perfektionsansprüche gelockert, den Blick aufs Wesentliche geschärft und insgesamt für eine Relativierung überzogener Erwartungshaltungen gesorgt. Das sind zentrale Erkenntnisse einer Studie im Auftrag von Kulinaria Deutschland. Rheingold Forscher erwarten, dass der neue Pragmatismus nicht nur eine temporäre Krisenerscheinung bleibt, sondern vielmehr die Ernährungs- und Kochgewohnheiten über längere Zeiträume prägen wird. Insgesamt zeigt die Studie sechs verhaltensbeeinflussende Faktoren, die sich auf die Verbraucherbedürfnisse auswirken.

„Statt sich über vorzeigbare ‚instagram-taugliche‘ Speisen zu profilieren, sehnten sich die Probanden mehr danach, Teamplayer und Alltagsheld*in zu sein“, sagt Studienleiter Sebastian Buggert. Die Darstellung als Familienmensch, der die Krise flexibel meistert und alle gut versorgt, sei wichtiger als die „Maske des Performance-Anspruches“. „Spaß und Gemeinschaftserleben tritt an die Stelle von Exklusivität und Exzellenz.“ Fertiggerichte, Würzhelfer und Convinience-Produkte bekommen in diesem Kontext nachhaltig eine größere Bedeutung. Besonders die durch die Krise belasteten Eltern verschafften sich durch die Produkte Freiräume und vereinfachten ihren Alltag.

Die Studienergebnisse zum Koch- und Essverhalten sind nur Teil einer umfangreichen Konsumforschung des rheingold Instituts in der Corona-Krise. Insgesamt befinden sich die Deutschen gerade in einer sehr dynamischen Experimentierphase, die den kompletten Alltag neu normiert. Dazu gehören neben Urlaub und Einkaufen auch ganz besonders das Essverhalten, das wie ein Seismograph auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert.

Sechs Faktoren

Dies sind die sechs entscheidenden Faktoren, die sich auf die Verbraucherbedürfnisse auswirken:

1. Versorgung sichern

Die Corona-Krise vermittelte ein Gefühl der begrenzten Produktverfügbarkeit, das in dieser Form neu war. Auch das Einkaufserlebnis wird durch die Maskenpflicht und die Abstandsregeln getrübt. Dadurch setzen Verbraucher verstärkt auf Vorratshaltung und Plankäufe, um ihre Versorgung zu sichern.

2. Alltag strukturieren

Durch Home-Office veränderte sich der Alltag. Es entstanden mehr Gelegenheiten für Mahlzeiten und kleine Snacks, die gerne genutzt werden, um den Alltag neu zu strukturieren.

3. Gemeinschaft pflegen

Weiterer Effekt des Home-Office ist die Verschiebung der Mittagspause in die eigenen vier Wände. Dadurch sitzt die Familie gemeinsam am Tisch, isst und tauscht sich aus. Sorgen, Ängste und Wünsche werden miteinander geteilt, was das „Wir-Gefühl“ stärkt und hohe Ernährungsideale ablöst.

4. Tristesse kompensieren

Das Essen sorgt zudem für Abwechselung im Tagesablauf und geschmacklich. Wenn es gut schmeckt, hebt es die Stimmung. Wenn etwas Neues, Unbekanntes gekocht wird, sorgt es für Überraschungen. Essen ist somit in der Lage für Würze zu sorgen.

5. Aktiv bleiben

Insbesondere die Zubereitung, das Kochen oder Backen fördern die Kreativität. Sie ermöglichen ein Gefühl der Betriebsamkeit und lösen Emotionen aus – Freude über leckeres Essen und Frustration über misslungene Versuche.

6. Perfektionsansprüche lockern

Letztlich erdete uns die Corona-Krise und schärfte den Blick „für das Wesentliche“. Dadurch sinkt der hohe Anspruch an die eigenen Ernährungsideale und ein „gesundes Maß“ steht im Fokus der eigenen Ernährung.

Fazit

Die Offenheit für kulinarische Lebensmittel hat sich insgesamt spürbar erhöht. Gelockerte Perfektionsansprüche und ein neuer Pragmatismus steigern insgesamt die Akzeptanz von Convenience-Produkten. Auch Gesundheit, Sicherheit und Hygiene rücken neu in den Blick und rechtfertigen verpackte und vorgekochte Lebensmittel. Dabei legitimieren Alltagsnöte und der Wunsch der Gemeinschaftsbildung Vereinfachung und einen konsensfähigen Geschmack.

Neue Ambitionen zum Selber-Machen erfordern Hilfsprodukte, die inspirieren und zugleich Aufwand reduzieren und das Gelingen absichern.