Die Motive hinter der Spendenbereitschaft
Wer anderen hilft, stärkt damit das eigene Selbstwertgefühl und empfindet das eigene Leben zudem als sinnerfüllter. Helfen macht glücklich. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse einer Studie des rheingold Instituts im Auftrag von McDonald’s Deutschland. Doch warum ist das so, wie werden Menschen eigentlich zu Spendern und welche verborgenen Motive liegen noch hinter der Spendenbereitschaft?
Studienleiterin Sabine Loch hat die Antworten auf diese Fragen:
Frau Loch, Sie haben mit Ihren tiefenpsychologischen Interviews festgestellt, dass Spender die glücklicheren Menschen sind. Macht denn das Spenden glücklich, oder sind glückliche Menschen einfach eher bereit zu Teilen?
Sowohl als auch. Wer in einer emotional stabilen Familie aufwächst, der lernt den Wert des Gebens, des Spendens schon in der Kindheit kennen. Wer hingegen finanzielle oder psychische Not erlebt hat, der empfindet sich auch später eher als arm und konzentriert sich darauf, das eigene Leben zu bewältigen. Damit verpassen die Nicht-Spender aber auch die konkreten Glücksmomente, die das Spenden auslöst.
Was führt denn genau zu diesen Glücksgefühlen?
Spenden stärkt das eigene Selbstwertgefühl, man empfindet sich als besseren Menschen. Noch stärker ist dieser Effekt bei Helfern ausgeprägt, die sich ganz konkret sozial engagieren. Diese fühlen sich als Säule der Gesellschaft. Bei den Spendern hingegen geht es auch um eine Balance des eigenen Lebens. Die Wahrnehmung von Armut und Not erweckt ein schlechtes Gewissen, das mit einem Dauerauftrag betäubt werden kann. Die Spende ist also auch ein unbewusster Ausgleich, um Fülle und Reichtum unbeschwerter genießen zu können.
Wenn das Spenden so positive Begleiterscheinungen hat, wie können aus Nichtspendern Spender werden?
In stabilen Familien gehört das Spenden quasi zum Reifeprozess dazu. Heranwachsende fühlen, dass sie mit zunehmendem Alter in den Kreis der Spender „aufsteigen“, sie beginnen, Verantwortung zu übernehmen. Manche spenden bereits von ihrem ersten eigenen Gehalt an.
Macht es also für die Spendenorganisationen Sinn, sich intensiv mit Kindern und Jugendlichen zu beschäftigen?
Auf jeden Fall. Wer mit den Thema Spenden nicht aufwächst, der muss den Nutzen für das eigene Wohlbefinden erst erkennen. Das ist unter Umständen ein langwieriger Prozess. Für Spendenorganisationen ist es also sehr sinnvoll, ihre Aufmerksamkeit noch stärker auf Kinder und Jugendliche zu richten – also auf jene Lebensphase, in der die grundsätzliche Bereitschaft zum Helfen geprägt wird.
In früheren Studien, zum Beispiel für Plan, haben Sie genau diese Lebensphase untersucht. Was zeichnet sie besonders aus?
Im Teenageralter weitet sich plötzlich der Blick. Damit ist aber auch verbunden, dass viele furchterregende Nachrichten von Krieg, Armut und Umweltzerstörung relativ ungefiltert auf sie hereinströmen. Dem einen ist das zu viel und er schottet sich ab. Andere springen darauf an und wollen helfen, wollen die Welt retten. Das Schöne ist: In diesem Alter glauben sie sogar, dass sie es können. Hier haben die Hilfsorganisationen eine große Chance, das jugendliche Engagement in kleinen Projekten zu kanalisieren und die Heranwachsenden so langfristig zu binden.
Wer einmal hilft, bleibt also kontinuierlich dabei?
Das wäre schön, aber ganz so ist es nicht. Es gibt immer wieder Zeitabschnitte, die vor allem der Bewältigung des eigenen Lebens dienen – zum Beispiel beim Einstieg in den Beruf. Die Hilfsbereitschaft wird reaktiviert, wenn der Alltag dafür wieder mehr Raum lässt oder ein besonderes Ereignis eintritt. Das ist ein wenig so wie mit der Kirchenbindung, die wir auch untersucht haben. Diejenigen, die in der Kindheit mit der Kirche gute Erfahrungen machen, die kehren auch als Erwachsene wieder zu ihr zurück, selbst nach Phasen langer Abstinenz.
Sie haben in ihrer Studie zwischen Helfern und Spendern unterschieden. Was eint sie, was trennt sie?
Beide haben einen gemeinsamen Traum, sie wollen die Welt retten oder sie ein wenig besser machen. Helfer wollen dabei ganz nah ran, diesen Vorgang ganz konkret im Alltag spüren und Anteil am Leid nehmen. Hier ticken Spender anders. Sie identifizieren sich mit übergeordneten Zielen – zum Beispiel Umweltschutz oder Hungerhilfe – und delegieren dann ihr Anliegen an eine Organisation. Dadurch geben sie sich die Erlaubnis, die Not auf Distanz zu bringen.
Heißt das auch, dass potenzielle Spender die Not lieber nicht sehen wollen, zum Beispiel auf den Werbeplakaten der Organisationen?
Nicht unbedingt. Die Kampagnen müssen sehr stark zwischen gezeigter Not und gelinderter Not austarieren. Zuviel Elend aktiviert den Reflex, sich wegzuducken. Doch wenn die Armut zu sehr weichgezeichnet wird, dann fehlt der Impuls des Helfenwollens. Mit unseren tiefenpsychologischen Interviews können wir sehr genau erkennen, wo bei den Menschen diese Grenze verläuft.
Worin liegt besonders bei dieser Thematik der Vorteil der tiefenpsychologischen Interviews?
Spenden ist ein Thema, das einen hohen sozialen Druck erzeugt. Das bedeutet faktisch, dass in kurzen Befragungen oder Ankreuzbögen sehr viel beschönigt wird. Durch die Intensität der Tiefeninterviews – jedes dauert mindestens zwei Stunden – lassen die Menschen wirklich seelisch ihre Hüllen fallen und zeigen ihre wahren Motive.
Sabine Loch ist Senior-Projektleiterin und seit 2005 am rheingold institut tätig. Ihre Schwerpunkte liegen auf Fundraising, Food und Handel.
Tel.: +49 221 912777-57
E-Mail: loch@rheingold-online.de